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'''ART BRUT ORATORIUM in Briefen'''
 
'''ART BRUT ORATORIUM in Briefen'''

Version vom 6. Mai 2018, 14:08 Uhr

MUSIKTHEATER DOPPELPROJEKT

1.) „DIE PASSION DES JEAN DUBUFFET“

ART BRUT ORATORIUM in Briefen


Text: Jean Dubuffet & Valère Novarina, Korrespondenz │ 20 Antworten von Jean Dubuffet auf 24 Fragen von Valère Novarina │ 999 Namen (aus „Das Drama des Lebens“) und 501 Mantren („Während der Materie“) von Valère Novarina

Musik: Valère Novarina „Le Théâtre des oreilles“ (1980)

Mit: Martin Engler, Kirsten Hartung, Jens Harzer, Jürgen Holtz, Marina Galic

Und dem Ensemble Musique Concrète │ Screenpainting: Valère Novarina

Regie: Leopold von Verschuer │ Musikalische Leitung: Bo Wiget

Szenografie: Sonja Füsti │ Videografie: Phillip Hohenwarter

Libretto & Übersetzung aus dem Französischen: Leopold von Verschuer

2.) „1111 x VOGEL“

Serielle Vogelnamen-Oper


von Peter Ablinger

Text: Valère Novarina │ & Leopold von Verschuer, deutsche Übersetzung

Szenografie & Raumanimation: Arnold Dreyblatt

Sprecher: Jens Harzer, Agnès Sourdillon

Klavier: N.N. │ Cembalo: N.N.

Bewegung: Matthias Rheinheimer

Regie: Leopold von Verschuer │ Musikalische Leitung: Bo Wiget

Sound-Design: Jean Szymczak (Studio P4) │ Light-Design: Joël Hourbeigt



PROJEKTBESCHREIBUNGEN:


1.) „DIE PASSION DES JEAN DUBUFFET“ Interdisziplinäres Art Brut Oratorium in Briefen


1980 lässt sich der noch unbekannte Autor Valère Novarina für 6 Stunden mit 20 Instrumenten, die er nicht beherrscht, in einem Studio des ATELIER DE CRÉATION RADIOPHONIQUE des Senders France Culture einschließen. Das Ergebnis ist ein phantastisches Konglomerat aus Klang- und Stimmexperimenten, das Novarina mit noch unveröffentlichten Texten durchsetzt – Titel: LE THÉÂTRE DES OREILLES. Der fast 80-jährige Altmeister Jean Dubuffet apostrophiert es als „langes Fest (…) hervorragend, sehr erstaunlich und genussvoll“.

Dubuffet gilt als Schöpfer des Begriffs „Art brut“, mit dem er eine „rohe“ Kunst jenseits etablierter Formen bezeichnete. Es sind Werke von Laien, gesellschaftlichen Außenseitern oder psychisch Kranken, die er für seine heute berühmte „Collection Art brut“ in Lausanne sammelt.

Auch den 40 Jahre jüngeren Newcomer Novarina treibt die performative Körperlich-keit seiner Schreib-Séancen zum Zeichnen und Malen – und zur Musik! Zwischen dem Altmeister und dem Newcomme entwickelt sich eine berührende Korrespondenz bis zum Vorabend von Dubuffets Tod im Jahr 1985.

1983 erscheint in der Mailänder Kunstzeitschrift Flash Art und dann im Pariser Psychoanalyse-Magazin L‘Âne ein langes Interview über Dubuffets Kunstpraxis: 21 Antworten Jean Dubuffets auf Fragen von Valère Novarina. Es ist noch heute ein einzigartiges Manifest der Radikalität künstlerischen Denkens. Dieses Interview und die Korrespondenz der beiden Künstler bilden die textliche Grundlage dieses ART BRUT ORATORIUMS, durchsetzt von einer 14-seitigen Namensliste aus Novarinas erster Inszenierung beim Festival von Avignon „Das Drama des Lebens“ (Le Drame de la vie) von 1986 sowie den 501 Raum- und Körper-Mantren aus „Während der Materie“ (Pendant la matière), die Novarina 1991 für den Katalog der ersten Dubuffet-Retrospektive nach dessen Tod verfasste. 5 Sprecher und das vom Schweizer Cellisten und Performer Bo Wiget geleitete freie Instrumental- und Vokalensemble Musique Concrète realisieren diese komplexe Stimmen und Klangpartitur vor einer raumfüllenden Screenpainting-Videowand. Der heute 75-jährige Maler und Autor Valère Novarina selbst wird dabei von zentraler Position aus die gesamte Bühnenrückwand malerisch füllen und momentweise stimmlich-performativ in das Geschehen eingreifen.


2.) „1111 x VOGEL“

Serielle Sprech-Oper von Peter Ablinger


Mit LE DISCOURS AUX ANIMAUX (Die Rede an die Tiere), uraufgeführt 1986 in Peter Brooks legendärem Pariser Théâtre des Bouffes du Nord, begann der unaufhaltsame Aufstieg des Theaterautors und -künstlers Valère Novarina. Der rätselhafte Text kulminiert in einer Aufzählung von 1111 erfundenen Vogelnamen.

2016 erschien DIE REDE AN DIE TIERE in der deutschen Übersetzung von Leopold von Verschuer im Berliner Verlag Matthes & Seitz.

Auf der Grundlage beider Fassungen entwickelte der Komponist Peter Ablinger eine zweisprachige musikalische Komposition der 1111 Vogelnamen, die er als Radiofassung für den Sender Deutschlandfunk-Kultur realisierte.

Mit seinem im Werkkomplex VOICES AND PIANO ausgearbeiteten Übersetzungs-verfahren überträgt Ablinger die Stimmen der Sprecher*in Jens Harzer und Agnès Sourdillon in für Klavier und Cembalo notierte fiktive Vogelstimmen, freilich in einem Register, das 2 Oktaven über dem tonalen Spektrum beider Instrumente liegt. Aus den zwei Sprechstimmen und der Ultra-Klavier- und Cembalopartitur konstruiert er ein suggestives Klanggewebe, das momentweise von „Walfischstimmen“ (die Stimme des Autors in 16-facher Verlangsamung) interpunktiert wird.


Der Installations- und Performancekünstler Arnold Dreyblatt (angefragt), der seine medien- und archivgestützten Installationen auf kulturelle Erinnerung fokussiert, wird dieses Dispositiv um eine fiktive ornithologische Katalogisierung in einer raumgreifenden Videoinstallation aus gleitenden Listen und Schriften räumlich interpretieren.


„In Deutschland gibt es ein regelrechtes Vogelsterben“ (Die Welt), „Deutschland sterben die Vögel weg“ (Süddeutsche Zeitung), „Die kleinen Vögel verhungern“ (Die Zeit), „Mehr als jede sechste Vogelart vom Aussterben bedroht“ (Der Spiegel), so die Schlagzeilen der letzten 12 Monate. „Drastischer Vogelschwund in Deutschland“ schreibt der Naturschutzbund Deutschland (NABU): „18 Prozent der 451 Vogelarten der EU wurden als gefährdet eingestuft und könnten damit innerhalb der nächsten 100 Jahre komplett aus der EU verschwinden. (…) Zehn Prozent dieser Arten gelten sogar auf globaler Ebene als vom Aussterben bedroht.“ Schon 2016 schrieb die Süddeutsche Zeitung: „Es droht ein stummer Frühling“. 1111 x VOGEL ist eine meditative Antwort, ein sehr stiller Aufruf zur Besinnung, dass wir bald in einer von Vogelstimmen entleerten Welt leben und uns ihre Namen und Stimmen womöglich nur noch werden erfinden können.  


3.) Idee, Konzeption und Übersetzung …


stammen vom langjährigen Novarina-Übersetzer, -Schauspieler und -Regisseur Leopold von Verschuer, der beide Projekte 2018 als Radiofassungen im Deutschlandfunk Kultur erprobte, mit Jens Harzer (Thalia-Theater), Jürgen Holtz (Berliner Ensemble) und der Pariser Schauspielerin Agnès Sourdillon. Darauf aufbauend wird er nun diese performativ potenzierte Version als interdisziplinäres Musiktheater-Doppelprojekt realisieren. Beide Aufführungen können auch einzeln für sich aufgeführt werden.


Reaktionen auf Verschuers deutschsprachigen Novarina-Erstaufführungen:


„Aufregend und ungewöhnlich (…) ein unerhörtes Erlebnis von Sprache. Der Begriff „Verbal-Free-Jazz“ trifft das, was von Verschuer tut, am ehesten.“ (WAZ, 2000).

„Sensationell, subversiv, süffisant: (…) an der Premiere am Samstag befiel einen streckenweise das Gefühl, der Bühneneroberung einer neuen Kunstgattung beizuwohnen. (…) eine unübersehbare Theatersensation.“ (Tages-Anzeiger Zürich, 2007).

„Verschuer hat den Raum als eine Art Zeitmaschine gestaltet und entleert, um der Hauptdarstellerin Platz zu machen: der Sprache. Dabei kann er auf Novarinasche Wortträger und Platzhalter zählen, die den Abend zu der Entdeckung machen, die er ist.“ (NZZ, 2007)

„Von Verschuer gelingt dabei Großes.“ (Die Welt, 2014)

„Grandios irrwitziger Theaterabend.“ (Kieler Nachrichten, 2014)

„Das Ergebnis ist eine Meisterleistung. (…) Als wäre man Zeuge einer Sinfonie und Kakofonie aus Worten und Klängen eines urgewaltigen phonetischen Konzerts.“ (Tages-Anzeiger Zürich, 2014)

Siehe auch: www.blablalab.net/de/index.php?title=Leopold_von_Verschuer


Die musikalische Leitung hat Bo Wiget, Cellist, Komponist, Performer, der u.a. am Theater Neumarkt und Schauspielhaus Zürich, in Berlin an der Staatsoper, der Volksbühne und am HAU, sowie mit Künstler*innen wie Meg Stuart, Stefan Kaegi oder dem niederländisch-flämischen Schauspielkollektiv Wunderbaum arbeitete.

„Ein Glücksfall für die Theatermusik“ (Dietrich Diederichsen in Theater Heute). Siehe auch: www.bowiget.com 


DAS INTERVIEW …


Die Fragen: „Können Sie malen? … Zerstören Sie? … Haben Sie eine Methode? … Lieben Sie die Geschwindigkeit? … Mögen Sie die Werke von anderen? … Ist unser Gesicht menschlich? … Sind Sie ein Tier? … Verstehen Sie unverständliche Sprachen? … Warum haben Sie so viele Tische gemalt? … Sind Sie verrückt? … Haben Sie die Leere gemalt? … Wie viele sind Sie? … …“


Valère Novarina: „Wissen Sie, was Sie malen werden?“

Jean Dubuffet: „Ich habe nur eine verschwommene, sehr ungenaue Vorstellung davon, und die meistens eine andere Richtung nimmt oder in Vergessenheit gerät, sobald die Arbeit losgeht. Ich werfe mich ins Wasser wie ein Taucher, sogar ein Taucher, der ein schlechter Schwimmer ist, mit der Idee, dass man, ist man erstmal im Becken, schon sehen wird. Das Unvorhergesehene, die Unordnung und die Widrigkeit sind die Triebkräfte des Werks. Worauf sich meine Suche richtet, ist, den Blick, wie ich ihn gewohntermaßen auf die Dinge richte, zu verändern, ihn zu zwingen, sich zu wandeln. “


DIE BRIEFE …


13. Dezember 1984

Sehr lieber Jean Dubuffet,

Labyrinthen entkommt man durch die Labyrinthe: vorhin habe ich eine ganze Weile bei Jeanne Bucher mitten zwischen Ihren „Peilungen“ verbracht, was mich sehr belebt hat … Ihre abenteuerlichen Signale spenden mir immer noch so viel Kraft. Beleben wir die Materie …! Jetzt sind es schon vier Monate, dass ich nicht in die Stadt gegangen bin, auch ich verloren in meinem Labyrinth: (…) Und nun habe ich auf meinem Tisch 200 geschriebene Seiten, überhaupt nicht wie ein Buch, sondern wie ein bedrohliches Loch, über das ich mich nun beugen soll, um etwas zu sehen. Es richtet sich so wenig an die Menschheit, dass ich glaube, dass ich es „Rede an die Tiere“ nennen werde. Sie sind das erste sprechende Tier, dem ich diesen düsteren Titel gestehe. (…)

Ich sende Ihnen meine große Freundschaft und hoffe auf baldige Nachricht von Ihnen.

Valère Novarina


(…)


Paris, 30. Januar 85

Lieber Valère Novarina,

Ein Loch – aber nun sind sie, auch wenn etwas kaputt, wieder heraus. Während ich … mein Loch, ich stecke drin, die Leiter weggenommen. Das Blühen der weißen Kamelien war von stolzer Pracht, sie wechselten ins Ocker, sind dann versteinert, zu Sandrosen geworden. Auch ich werde zur Sandrose, analoges Szenario. Die Worte fliegen uns nicht mehr zu, doch was soll ich sagen? Ich weiß mit Ihnen nichts mehr anzufangen, sie entleeren sich des Sinns, ihr Sinn verflüssigt sich, fließt ab und verdunstet. Ich glaube nicht an ihren Sinn. Ich glaube an keinen Sinn mehr von gar nichts, ich glaube nicht mal mehr, dass die Aufzeichnung von Sinn einen Sinn hat. Welche Malerei soll man in diesem Stadium machen? (…)

Wärmstens der Ihre

J. D.


DIE NAMEN („Das Drama des Lebens“, Auszug)

„Algon, Longis, Septime, Nordikus, Mund, Jonder, der Scharmantner Luiggi Wedel, Gassi, Sapor Klaffz, Die Genitierten, Ephisus Sprühle, Kornettist, Der Alte Palabreser, Rhythmal, Das Zückerkind, Funktium Gliedig, Galting, Reche, Der Professor Huckepack, Gedeon, Albi Rekton, Femnischer Sermon, Die Scheitelkinder, Zain, Der Chor, Komische Aktion, Die Eins, Skopisch Werfer, Verbruchverkehr, Der Mensch mit der Gesichterin, Die Ringer der Zweibeinkleider, Engler, Damon, Antkräftigerin, Rockisch, Harnischt, Eruktion, Gänstling, Die Tirze, Luber, Vokagenloch, Virot, Gerupfter Himpel, Kratzer, Gebärdigung, Rude Glandis, Ruleda, Seezüngel, Das Kind Ignaz, Unze und Loxen, Pontrach, Hapsfigemol, Der Professor Delumidan, Das Zugrundekind, Selumidon, Schandull, Lülüt, Rabeth, Der Engländer, Hobul Tuschen, Robel Klamming, Irgo, Hans-Heinrich, Der Mensch von Saporneol, Büffet, Plan des Virus, Der Mensch von Stalingruh, Die Seifnerin, Der Saponist, Leo Loch, Der Bombenmensch, Der Mensch von Dunlop, Der Glotenmensch, Der Kuintermensch, Loden Scharmant, Virgoleum, Hans der Rudler, Der Bodinische Rachsüchtler, Sein Tubischer Stumpf, Der Walzermensch, Obrettengisela, Der Boddenmensch, Der Mensch Zuvor, Bombig, Sankt Vinzenz Champion, Der Mensch von Garri, Sapoleon Gas, Üzdak, Die Generische Portion, Hans Pipoleon, Sankt Leon vom Gas, Hans Politt, Sankt Blank Skabant, Sankt Blond Skabant, Sapoleon Gassi, Der Mensch von Wirr, Sapol, Losape, Schmütze, Der Mensch Wirrpol, Saktion, Generation, Das Nähtekind, Der Klangräuber, Der Mensch von Polizei, Der Ärmelmensch, Der Marschall Hindenblatt, Die Passabrüder, Das Wusstekind, Die Paspelbrüder, Das Tuschtekind, Der Mensch von Ächz, Zentro Kläffi, Das Stürzelkind, Röhrin, Der Grazienmensch, Der Mensch im Blaukopp, Der Mensch im Blondkopp, Der Busenmann, Der Marschall Gnadegohl, (…) Osnakrück, Sermon Stummes, Der Bauchregler, Sermon Femnich, Mosnakrück, Der Mensch von Mürda, Der Mensch von Osnabrüll, Die Heilbringerin, Schwein Keulerich, Der Mensch von Mordisch, Das Junge Kind, Der Satalische Handwerker, Hans von Nichts, Der Professor Geo, Der Vektantenmensch, Der Sinkubische Professor, Der Schmächermensch, Hechtsprung, Hans Kada, (…)“


RAUM- UND KÖRPER-MANTREN („Während der Materie“, Auszug)


Jean Dubuffet, ich schreibe Dir während der Materie. Die fünfhundert Psycho-Stätten sind eine endlose Musik. In fünfhundert und eins Stellungen des Körpers, in fünfhundert und eins Vor-stellungen des Raums, in fünfhundert und eins stummen Sätzen:


1. Der Raum ist innerhalb von jemandem.

2. Die Person ist im Raum.

3. Der Raum ist nicht innerhalb von Dir.

4. Der Raum ist nicht innerhalb der Person.

5. Der Raum ist außerhalb von nichts.(

(…)

269. Die Person ist nicht ohne niemand.

270. Es gibt nichts ohne ihn.

271. Die Person ist nicht ohne ihn.

272. Der Raum ist ohne dich.

273. Niemand ist ohne ihn.

(…)

497. Es ist jemand in Dir.

498. Du bist weniger außerhalb von nichts als der Raum.

499. Der Raum ist nicht in Dir.

500. Du bist in jemandem.

501. Es ist niemand mehr in jemandem.


- Am 12. Mai 1985 stirbt Jean Dubuffet in Paris. - 


ER: Einmal hab ich Horn gespielt so ganz allein in einem wunderschönen Wald und die Vögel kamen sich besänftigen zu meinen Füßen, als ich sie zu zwei und zweien einen nach dem anderen bei ihren Namen nannte: // SIE: Un jour j’ai joué la de la trompe ainsi tout seul dans un bois splendide et les oiseaux vinrent se pacifier à mes pieds quand je les nommai un à un par leurs noms deux à deux:


die Limnille, der Fuskel, der Hippling, der Ventis, der Löchler, der Figill, der Lipptauch, der Racklo, der Tintel, der Furist, die Narzillis, der Olk, die Gymniste, die Luse, der Drangel, der Gintling, das Selmchen, der Lipp, der Hützspirl, die Drolle, der Kiebutz, der Flüchz, der Tölpler, der Würgig, der Plattling, die Dramse, der Zeter, der Lipis, das Bräulchen, die Grillzipfe, der Güllhäpp, die Spalze, der Ridibus, die Treuse, der Elbsentrippler, die Brüstelalbe, der Lulm, der Laubenstilz, der Strapaz, der Skalar, die Frille, der Mürz, die Spulwurre, der Trüstl, die Frigitte, der Schobber, der Ubis, der Amps, der Lunsing, die Espandrille, der Hauch-segler, der Binfling, der Alpknist, die Schlupfriesel, der Rorkreisler, der Striez, der Dumpfiff, der Tringarol, die Walkschnipfe, die Izfrömme, der Daunling, der Fugel, die Sorbe, die Schlüpfrelle, der Spirbel, der Mittich, der Distelfilk, der Geutsch, die Hüppe, der Wenger, der Larvatz, die Girle, der Klex, die Wildläuber, der Stiebitz, die Klackspachtel, der Anrauf, der Glatztorpel, der Steinfläder, die Muldel, der Kräk, der Greusel, die Wattschnilze, der Bloss, der Fergissel, die Imse, die Harfrümme, der Xylon, der Pims, das Ohrlippchen, der Luddel, der Widewitt, der Planzer, die Delbe, die Grausche, der Orph, die Greuse, der Alkwist, der Stimpfel, der Wittib, der Dwelling, die Spulle, der Warol, die Drissel, der Pilpring, der Hintel, der Uto, das Schwärmchen, der Klappschnäpel, der Kerkling, der Spännler, die Aufritze, der Freundling, der Dreireiher, der Wellerich, die Schubbe, die Ivistrille, der Okarint, der Mürmel, der Sanderling, der Gluriol, die Anse, der Zinkel, die Skalle, die Balkschnipfe, die Deichtülle, der Derblitz, die Anzille, der Kritt, der Trabast, die Nestel, der Tinsel, der Pnott, der Lerberik, die Spalze, der Perling, die Schleieramphuse, die Flissenamphuse, der Ordel, die Wilelle, der Palimp, die Alpknäke, der Schnipf, die Blisse, der Wispelfilk, die Galbe, der Ekru, der Hempel, die Kullkruxe, der Zephyrot, der Schüftel, ...


Valère Novarina,

Schriftsteller, Dramatiker, Regisseur, Zeichner und Maler, geboren 1942 bei Genf, lebt und arbeitet in Paris und in den französischen Alpen Savoyens. Nach dem Studium der Philosophie und Philologie an der Sorbonne wurde er zu einer der bis heute singulärsten Stimmen des Theaters in Frankreich. Patrice Chéreau (Film-, Theater- und Opernregisseur) bezeichnete ihn als den nach dem Tod von Bernard Marie Koltès bedeutendsten lebenden Theaterautor Frankreichs.

Im Umfeld der von Philippe Sollers von 1960 bis 1982 herausgegebene Zeitschrift Tel quel, die u.a. Persönlichkeiten wie Derrida, Deleuze, Foucault, Lacan, Kristeva und Barthes vereinte und als Kristallisationspunkt des sog. poststrukturalistischen Denkens fungierte, sowie der seit 1968 von Christian Prigent herausgegebenen Zeitschrift TXT, die seinen ersten Texten eine Öffentlichkeit bot, entwickelte Valère Novarina seinen „polyvalen¬ten Schaffensprozess“, der gemäß dem „durch die moderne Linguistik ausgelösten Paradigmenwechsel (…) Sprache nicht mehr als transparentes Werkzeug der Kommunikation, sondern als autonom funktionieren-den Mechanismus“ (K. Beyerlein) versteht: „Die Linguistik beschreibt unseren Boden, wie die Geologie. Die Sprache ist unsere Erde. (…) Überhaupt kein Werkzeug zu unseren Diensten. Ich glaube, alles ist Sprache.“ (V.N., Lichter des Körpers, dtsch. 2011) Novarina beschließt, wie Barthes es 1988 in Leçon gefordert hat, die Sprache mit ihren eigenen Mitteln zu bekämpfen. Als „Körpertechnik“ gegen die Sprache (Théâtre des oreilles, 1989) betreibt er sein Schreiben nicht mehr als ergebnisorien¬tiertes Fabrizieren eines Artefakts.

Darin, dass Novarina die Dimension der Auffüh¬rung akzentuiert und so die genuine Theateraffinität eines performativen Schreibens in den Mittelpunkt rückt, antizipierte er den theaterwissenschaftlichen Performativitätsdiskurs, „wie er um 2000 von Erika Fischer-Lichte entwickelt wurde, in dem die mediale Spezifik von Aufführungen in der leiblichen Ko-Präsenz von Darstellern und Zuschauern begründet wird, die die Aufführung durch gegenseitige Beeinflus¬sung (…) zu gleichberechtigten Teilen hervor-bringen“ (K. Beyerlein). „Das Schönste, das es im Theater gibt, ist die Perspektive – und dass sie im Auge des Zuschauers liegt. Der Fluchtpunkt ist in seinem Geist.“ „Das Lachen bricht aus, wenn der Körper des Zuschauers lösen muss, was zerrissen ist.“ „Der Zuschauer ist die wirkliche Bühne.“ (V.N., Lichter des Körpers, dtsch. 2011).


Novarinas Werk, inzwischen 24 Bände, erscheint seit 1984 im Verlag P.O.L. Paris. 1974 erstmals aufgeführt, ist seit 1986 das Festival von Avignon regelmäßiger Schauplatz seiner von ihm selbst inszenierten Urauf¬führungen. 2006 wird er zu Lebzeiten ins offizielle Repertoire der Comédie Française aufgenommen. Seine Inszenierungen laufen in größten Theatern (Théâtre National de la Colline, Odéon Théâtre de l’Europe, Paris, Théâtre de Vidy-Lausanne, Théâtre National de Strasbourg, TNP Lyon-Villeurbanne) bis zu sechs Wochen en suite und erreichen auf Tourneen Aufführungs¬zahlen von bis zu hundert Vorstellungen.


Zwei deutschsprachige Studien widmeten sich kürzlich aus wissen¬schaftlicher Sicht dem Schaffen des Autors: Constanze Fröhlich, Poetik der Fülle. Sprechen und Erinnern im Werk Valère Novarinas, Heidelberg 2014; Kerstin Beyerlein »Theatrogene Textzonen« oder »ein Theater der Ohren«? Das postdramatische Literaturtheater von Valère Novarina, Würzburg 2015.


Übersetzungen von Büchern Valère Novarinas erschienen in 19 Sprachen, darunter Englisch, Katalanisch, Spanisch, Griechisch, Hebräisch, Ungarisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Slowakisch, Tschechisch, Türkisch, Deutsch, Japanisch und Chinesisch.


Die deutschen Übersetzungen von Leopold von Verschuer sind verlegt bei Matthes & Seitz Berlin, aber auch im Alexander Verlag, in den Sammel¬bänden für neue französischer Dramatik Scène 6 und 12 sowie in der Zeitschrift Theater der Zeit. 2006 erhielt er dafür den Bremer Übersetzerpreis.


[Peter Ablinger, Komponist

Peter Ablinger wurde 1959 in Schwanenstadt in Oberösterreich geboren. Er besuchte die Graphik-HTL in Linz und studierte von 1977 bis 1982 Jazzklavier in Graz. Außerdem studierte er Komposition bei Gösta Neuwirth in Graz und Roman Haubenstock-Ramati in Wien. Seit 1982 lebt er in Berlin. Ablinger konzentrierte sich bis 1994 auf kammermusikalische Besetzungen, danach beschäftigte er sich auch mit Elektroakustik und Klanginstallation. Seit 1980 arbeitet er an verschiedenen Werkkomplexen, darunter "Weiss/Weisslich", der sich mit den verschiedenen Aspekten des weißen Rauschens beschäftigt und sich dafür unterschiedlicher Medien bedient – Instrumente, Installationen, Objekte, Elek-tro-akustische Stücke, Hinweisstücke, Prosa-Stücke, Musik ohne Klänge – insgesamt 36 Teile, seit 1989 an einem weiteren Werkkomplex „Voices and piano“, der das Klangspektrum menschlicher Stimmen in komplexe Klavierpartituren übersetzt.

2012 wurde Ablinger als Mitglied in die Akademie der Künste in Berlin berufen. Peter Ablingers Werk gliedert sich in mehrere parallele Serien:

- Stücke 1989–94: 12 instrumentale und oder vokale Werke, von Solo bis Kammerorchester (zum Beispiel "Der Regen, das Glas, das Lachen").

- „Weiss/weisslich“: Installationen, elektroakustische Stücke, Objekte, Hinweisstücke, Prosa, Musik ohne Klänge.

- "Instrumente und Elektro-Akustisch Ortsbezogene Verdichtung" (IEAOV): Stücke für Instrumente und eine Form der Live-Elektronik, durch die Klangfolge in Klangfarbe übersetzt wird.

- Instrumente und Rauschen: für Instrumente und CD.

- Quadraturen: Elektroakustische Stücke, Installationen, Stücke für computergesteu-erte Klaviere, Ensemble oder Orchester. Die Methode der Quadraturen kann mit der Grobrasterung von Fotografien verglichen werden. Input der Quadraturen ist jeweils eine akustische Fotografie, oder "Phonographie". Output ist ein Klang der in einen anderen, gerasterten Klang überführt wurde.

- Stücke seit 2001: vielteilige Serien-Stücke (zum Beispiel: "Voices and Piano"), oder mehrteilige Arbeiten, in denen verschiedene musikalische Gattungen, Topoi, Besetzungen miteinander kombiniert sind, zum Beispiel ein Hinweis und ein Instrumentalstück, oder eine Installation, ein Elektronik- und ein Orchesterstück (zum Beispiel "Altar").


Über Peter Ablinger:

"Die Klänge sind nicht die Klänge! Sie sind da, um den Intellekt abzulenken und die Sinne zu besänftigen. Nicht einmal das Hören ist das Hören: Das Hören ist das, was mich selbst erschafft." Peter Ablinger ist, so hat es der Intendant des RSO Wien Christian Scheib einmal formuliert, ein "Mystiker der Aufklärung", dessen "Anrufungen und Litaneien auf das Erkennen abzielen". Gleichzeitig ist der Komponist ein Skeptiker, der um die durch Tradition aufgezwungenen kulturellen Spielregeln und (schlechten) Gewohnheiten weiß: "Spielen wir also weiter und sagen: Die Klänge sind da, um zu hören (- nicht um gehört zu werden. Das ist etwas anderes.). Und das Hören ist da, um aufzuhören." (Christian Baier)