sobre/über/about/sur radiOthello
22. Februar 2008, Neue Zürcher Zeitung
Zusammengewürfelt
«radiOthello» im Theater am Neumarkt
von Christine Weder
So viel Kariertes will etwas heissen: Kreuz und quer, grob und fein, gross und klein kariert treten die Gestalten auf die durch den ganzen Raum gezogene Bühne des Theaters am Neumarkt (daher für einmal zuerst zu nennen: Bühne: Miguel Palma; Kostüme: Ruth Schoelzel). Das gilt für alle ausser einen, der anders ist. Er (William Nadylam) reist als Fremder von dunkler Hautfarbe und philosophischem Gemüt an, trägt edle Nadelstreifen, spricht meistens Französisch, manchmal Englisch und soll im Hörspiel-Projekt eines serbelnden Schweizer Radiosenders dem Shakespeareschen Helden Othello seine Stimme geben. Die Karierten sind skeptisch; gleichzeitig reissen sich die Frauen um ihn. Letzteres erscheint als spiegelverkehrendes Spiel mit dem Stück im Stück.
Der bunte Mustermix der Karos mag auch für das Gemisch der Sprachen stehen. Der Musiker, Autor und Regisseur Alvaro García de Zúñiga interessiert sich besonders für die sprachlichen Seiten des Fremdseins. Daraus wäre im Stück, das Leopold von Verschuer – zugleich Darsteller des Jago – zum Grossteil ins Deutsche übersetzt hat, aber mehr zu machen gewesen. Abgesehen von gelegentlichen Einlagen babylonischer Verwirrung und einigen Sprachwitzen kommt die schön angelegte Dimension nicht richtig zum Zug. Dabei hätte nur jemand die sicherlich zahlreichen komischen Situationen während der Proben mit dem selbst Regie führenden Autor protokollieren müssen, der kein Deutsch spricht.
Vielleicht aber ist das unruhig in alle Richtungen Gestreifte vielmehr Sinnbild für den zusammengewürfelten Charakter des Stücks. Nicht mit einem festgeschriebenen Text anzureisen, sondern die konkrete Form gemeinsam mit den Schauspielern zu erarbeiten, wie es García de Zúñiga getan hat, ist ein reizvolles und am Theater am Neumarkt bereits bewährtes Konzept. Doch nicht in jedem Fall soll dem Ergebnis das kollektive Brainstorming so deutlich anzusehen sein. Man kann es sich nur zu gut vorstellen: «Eine Persiflage auf die Sprache der Werbung sollten wir noch einbauen», sagt der eine. «Ein kleiner Monolog über die Phänomenologie wäre mir wichtig», der andere. Das Kunterbunte überdeckt in diesem Fall leider die faszinierende Grundidee: die Entstehung eines unsichtbaren Stücks sichtbar werden zu lassen.
Zürich, Theater am Neumarkt, 20. Februar. Bis 16. März.