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Aargauer Zeitung, Freitag 22. Februar 2008


Kein Mord, aber viel Gerede


Radio plus Othello ergibt «radiOthello». Aber das ist auch schon das einzige Originelle an diesem langfädigen Abend im Theater am Neumarkt.


Von Bruno Rauch


Dabei wäre die Grundidee von Alvaro García de Zúñigas Stück nicht einmal so schlecht: Mit der Produktion eines opulenten Hörspiels von Shakespeares Eifersuchtstragödie will sich ein marodes Schweizer Privatradio vor dem Bankrott retten. Dazu lässt die Besitzerin des Senders (Silke Buchholz, blond, stotternd und im satten Pied-de-Coq-Tailleur) eigens einen schwarzen französischsprachigen Schauspieler (William Nadylam) einfliegen, obwohl wir, wie gesagt, im Radiostudio und nicht im Leutschenbach sind.

Auf dem Spielsteg, beidseits von zwei Stuhlreihen fürs Publikum flankiert, thront prominent das Aufnahmestudio in Form einer gewaltigen transparenten Plastikblase (Bühne: Miguel Palma). Hier operieren der Regisseur (Adrian Furrer) und die Tontechniker (René Schnoz und Susanne Affolter) mit Mikrofonen, Mischpulten und unzähligen Geräuschutensilien, wie sich der Laie das halt so vorsteilt: glucksende Wärmeflasche für den Wellenschlag, Donnerblech, Vogelpfeifen, Kiesbeet für den knirschenden Botenschritt...

Das hat sich der Autor und Regisseur in Personalunion ganz nett ausgedacht. Und zweifellos bringt der gebürtige Urugayer, der heute in Lissabon lebt und vornehmlich in Französisch schreibt, seine persönliche Erfahrung bezüglich sprachlicher Divergenz und unterschiedlicher (sozio-)kultureller Wertvorstellungen mit, die ja auch das Geschick des shakespearschen Helden prägen. So überlagert Zuniga den Plot des Dramas, das nie richtig in Fahrt kommt, mit erkenntnistheoretischen und linguistischen Reflexionen der Philosophen Willard van Orman Quine und Ludwig Wittgenstein, die der Gastschauspieler auf Französisch vorträgt. Die beiden Sprachwissenschafter befassten sich unter anderem mit der Relativität von Meinung, Begriff und Übersetzung sowie der Wahrscheinlichkeit des Missverständnisses.

Das tönt abstrakt und ist es auch. Zumindest auf einer Theaterbühne, wo alles erlaubt ist, ausser Langeweile. Um diese wenigstens ansatzweise zu brechen, trudeln die für die anderen Rollen vorgesehenen Sprecher ein: eine bodenständige Desdemona, ein schwuler Cassio mit glasigem Blick und Jago, eher ein Bierbrauer als ein Bösewicht (Leopold von Verschuer). Die kleine Rolle der Bianca übernimmt Marianne Hamre, die auch als Othellos Groupie und Übersetzerin fungiert.

Um dem Ganzen doch noch etwas Pepp zu verleihen, wird unter den Mitwirkenden ein Komplott zur Übernahme des Senders geschmiedet, was zudem Gelegenheit bietet, sich im Dschungel der juristischen Wortklauberei zu verheddern.

Die Handlungsstränge verknoten sich zu einem zähflüssigen Theaterabend, zu dessen Klärung synchron gesprochene Sequenzen nicht unbedingt beitragen. Die an sich taugliche Thematik der Fremdheit und der Gefährdung der Kommunikation bleibt ungenutzt. Die Personen entwickeln weder Profil noch machen sie neugierig. Wie heisst ein anderes Stück des Elisabethaners? – «Viel Lärm um Nichts.» Oder wie es beim Rausgehen jemand formulierte: Nicht mal erdrosselt hat er seine Desdemona!» Dem kann der Kritiker, ansonsten häusliche Gewalt entschieden ablenend, nur zustimmen.



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